Die Pathologisierung von Kindern bei abweichendem Verhalten und die daraus folgende Medikalisierung
Immer mehr Kinder bekommen von Kinderärzten die Diagnose ADHS gestellt, die unter der Bezeichnung Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitäts-Syndrom bekannt ist. Die Krankheit scheint sich endemisch auszubreiten; allein in Deutschland sind es geschätzt 400.000 Kinder, die aufgrund dieser Diagnose Psychopharmaka verabreicht bekommen.
Was ist das für eine Krankheit, die heutzutage in den Schulen und Vorschulen der hochentwickelten Länder grassiert? Als häufigste Symptome dieser Krankheit werden folgende Auffälligkeiten benannt:
- überproportional häufige Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten;
- Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spiel aufrechtzuerhalten;
- unvollständige Ausführung von Schulaufgaben, Anweisungen, Arbeiten oder Pflichten; Schwierigkeiten, Aufgaben und Tätigkeiten zu organisieren;
- zögerliches und widerständiges Ausführen von Aufgaben, die eine längere geistige Anstrengung erfordern.
Auffallend ist, dass es sich bei diesen Zuschreibungen nicht um körperliche Merkmale wie Kopfschmerzen, Husten, etc. handelt, sondern um Verhaltensweisen. Der Katalog nicht konformer Verhaltensweisen enthält noch 70 weitere Auffälligkeiten, somit ist fast jedes nicht konforme Verhalten als krankhaft interpretierbar. Ein Kind, das sich angepasst verhält, ist also gesund, ein Kind, das durch seinen Eigenwillen auffällt, hingegen krank.
Dass es sich um eine Krankheit handeln muss, scheint allein durch die Tatsache bewiesen, dass ADHS in zwei Kataloge der anerkannten Erkrankungen aufgenommen wurde - die ICD 10, die International Classification of Diseases der WHO, und das amerikanische Klassifikationssystem DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association), das auch im europäischen Raum anerkannt ist und als Standardwerk für eine Diagnosestellung verwendet wird.